4-Länder-Technologie-Projekt '95


Im März 1995 fand das - inzwischen mit Traditionsstatus belegte - Vierländer-Technologieprojekt in Tournus / Frankreich statt. Die Idee dieses Projektes beinhaltet auf der einen Seite die Verständigung mit anderssprachigen Jugendlichen und dem Kennenlernen deren Gewohnheiten und Lebensverhältnisse. Auf der anderen Seite wird versucht eine komplexere technische Aufgabenstellung in Teamarbeit mit den anderen Schülern, die man ja eben erst kennengelernt hat, zu lösen. Die Konzeption des Unternehmens sieht vor, daß die fremden Schüler während des Wochenendes bei Gastfamilien untergebracht sind und die Woche über alle gemeinsam in einer Unterkunft untergebracht sind. An diesem Austauschprogramm nahmen Schüler aus Dänemark, England, Frankreich und Deutschland teil, darunter auch vier Auserwählte von unserem Technischen Gymnasium.

Bis nach Tournus war es aber ein langer, weiter Weg. Zuerst begann alles damit, daß die Lehrer uns über dieses - zu diesem Zeitpunkt noch sehr mysteriöse - Vierländertechnologieprojekt zu informieren. Dann kamen noch die „Dreizehner“, die letztes Jahr mit von der Partie waren, und mein- ten nur „Voll Stier - ein totales Muß !!!“. Daraufhin begann sich natürlich das ganze TG für das Vierländertechnologieprojekt zu bewerben, wobei die meisten den hierzu einzureichenden Fragebogen äußert Gewissenhaft ausfüllten. Herr Hackl, sozusagen für zehn Tage der Captain von vier Legionären, hatte nun die Ehrenvolle Aufgabe seine Schützlinge auszuwählen. Die Wahl fiel letztendlich - aus welchen Gründen auch immer - auf Ralf Karge, Carsten Ruetz, Steffen Engmann und Frank Schumann.

Am 18. März, einem wunderschönen Samstagmorgen, war es dann soweit, es konnte losgehen. Wir trafen uns am Mannheimer Hauptbahnhof bereit für die Abfahrt nach Frankreich. Als letzter erschien Herr Hackl um uns am Bahnsteig in die Obhut des Mainzer Kollegen Herr Sternal zu übergeben und uns dann unserem Schicksal zu überlassen. Hier trafen wir also die ersten anderen Teilnehmer des Programms aus Mainz und Kaiserslautern. Unsere gemeinsame Reise nach Tournus mit dem Zug dauerte fast den ganzen Samstag, bis wir gegen 18 Uhr unsere 14tägige Heimat Tournus erreichten. Am Bahnhof wurden wir von direkt von unseren Gastfamilien abgeholt, es blieb gerade mal noch genug Zeit, um zu klären, wer bei wem wohnt und die Telefonnummern auszutauschen.

Das Wochenende, was noch vom Samstag übrig war und der Sonntag, sollte nun erst mal in den Gastfamilien verbracht werden. Nach unseren Vorstellungen schwebte uns natürlich abends erst mal eine Begrüßungsparty oder zumindest eine gemeinsame Unternehmung vor, wie wir jedoch ziemlich schnell feststellen mußten, ist in Frankreich so ziemlich alles viel, viel komplizierter als bei uns. Erst nach zahlreichen Telefonaten und konfusen Dis- kussionen war es möglich irgendwelche Entscheidungen zu treffen, dies sollte sich die nächsten zwei Wochen auch keineswegs ändern.

Nach einem geruhsamen Wochenende folgte dann Montags der Umzug ins Internat des Lycée Gabriel Voisin, was sich aber ziemlich schnell eher als ein Gefängnis offenbarte. Im Internat gelten, wie auch im Schulalltag in Frankreich allgemein, strengste Zucht und Ordnung. Der Tagesablauf ist minutiös durchgeplant und wer nicht sofort pariert hat schon seine Schwierigkeiten. Der Schultag beginnt jeden Tag morgens um sieben und endet um dreiviertel neun. Dazwischen haben die Schüler ge- rade mal zweieinhalb Stunden „Freizeit“ in denen Sie auch noch ihre Mahlzeiten einnehmen müssen und das Schulgelände auf keinen Fall verlassen dürfen. Der einzige freie Nachmittag, den man als Schüler in Frankreich hat ist Mittwochs und der endet dann nur all zu verständlich, wie von den RED HOT CHILLI PEPPERS (UNDER THE BRIDGE) oft genug besungen. Die französische Leitung wollte für die Teilnehmer des Projektes die gleichen Regeln gelten machen wie für die Mitglieder des Internats, z. B. Abstellen des Lichtes und des Stroms um 22 Uhr 15. Aber Aufgrund des engagierten Einsatzes von, vor allem dänischen und deutschen, Lehrern bekamen wir immerhin etwas länger Ausgang und auch sonst einige Erleichterungen.

Tagesablauf im Lycée
7.00 Uhr Wecken durch die schrille Glocke
7.15 UhrFrühstück (um 8 Uhr muß der Speisesaal geräumt sein)
8.00 UhrTreffen zu den Veranstaltungen
18.00 UhrRückehr vom Gefängnis, wo die Technik war
18.30 UhrAbendessen, meist ungenießbar
19.00 Uhr - 19.30 UhrÖffnen der Schlaafsäle. Zum Duschen!
19.30 oder 20.00 UhrAbendveranstaltungen (meist Billiard, wenn frei)
21.30 UhrÖffnen der Schlaafsäle (Hurtig, hurtig,!)
21.45 UhrZimmer müssen belegt sein.
22.15 UhrLicht aus. Ton aus. Schlafen. Soweit die ofizielle Version; ließ sich aber bei Dänen und Deutschen nicht durchsetzten; soll sich jetzt aber auch gebessert haben!

Die nächsten beiden Tage verbrachten wir mit einer Marathon-Besichtigungstour, die zur Gewöhnung an die französische Sprache und einem Einblick in die Geschichte der Region dienen sollte. Auf dem Programm standen Dinge wie eine Stadtrallye durch Tournus, dem Besuch des Wallfahrtsortes Taizé und einigen Schlössern. Darüber hinaus war als Höhepunkt sogar eine Weinprobe zu absolvieren, was sich für unsere englischen Teilnehmer durchaus als größere Hürde herausstellte. An diesen beiden Tagen gab es auch noch einen Karaokeabend, an dem keiner singen wollte und ein Volleyballturnier. Es gelang hierbei eine Art Gemeinschaftsgeist zu etablieren und die Verständigung unter den Teilnehmern funktionierte eigentlich auch Reibungslos, obwohl der Versuch Französisch zur „Amtssprache“ scheiterte und alle Leute natürlich Englisch redeten. Wobei es bei einigen beim Versuch blieb; so wurde zum Beispiel mal kurzerhand in dieser Form nach einer Zigarette gefragt: „ Can I have a train, please ? „, aber zum Trost dieses verwirrten Mitmenschen sei gesagt, daß sein Englisch noch lange nicht so schlecht wie sein Geschmack ist. Alles in allem wurde der Umgang unter den Schülern immer harmonischer, jedoch die ständige, übertriebene Kontrolle und die bis auf die letzte Sekunde ausgetimte Planung der französischen Organisatoren verkrampfte die Atmosphäre ab und zu doch ziemlich.

Am Freitag viel dann endlich der Startschuß zum eigentlichen technischen Projekt. Die Schüler wurden in Gruppen von je vier Personen unterschiedlicher Nationalität aufgeteilt und unter die Obhut eines Lehrers gestellt. Die Aufgabe des Projektes war es ein Reisemühlespiel zu produzieren. Alle notwendigen und überflüssigen Maschinen waren dafür von der Projektleitung schon installiert worden. Die einzelnen Gruppen mußten nun ihre Teilaufgaben bewältigen, daß Ansteuern der Fräsmaschinen zum Formen der einzelnen Teile, daß Steuern der Abpackanlage, und die Gruppe „Supervision“ hatte die Aufgabe die einzelnen Produktionsschritte zu überwachen und die Zusammenarbeit zu koordinieren. Weiterhin gab es noch eine „Zeitungsabteilung“ und ein Videoteam, die die Arbeit während des Projektes dokumentierten. Schade war bei dieser wohldurchdachten Aktion nur, daß praktisch alles schon vorgegeben war. Den Schülern blieb praktisch nur übrig die vorgegeben Strukturen und Ideen der leitenden Lehrer zu komplettieren und bekamen nicht die Gelegenheit eigene Lösungswege zu finden. Auch wenn etwas verkehrt lief, eilten sofort irgendwelche Spezialisten herbei um das Problem zu beheben und man stand eigentlich nur daneben ohne etwas von dem mitzubekommen, was da jetzt eigentlich los war. Auch wurden Dinge dann so korrigiert, daß die Lösungen gar nicht mehr mit den Wegen der Schüler übereinstimmten und somit eher hinderlich waren und anstatt die Gruppe voranzubringen. Diese Verhaltensweise kollidierte sozusagen auf Frontalkurs mit der eigentlichen Idee des Technologieprojekts, und verursachte zum Teil sogar Verdruß der Schüler an der Arbeit, da sich einige doch recht überflüssig vorkamen.

Das Wochenende wurde dann wieder in den Gastfamilien verbracht. Diesmal gelang es sogar, nachdem wir uns an die Diskussionsfreudigkeit der Franzosen und die Dramatik, die in jeder Entscheidung lag, gewohnt hatten, eine richtige Party auf die Beine zu stellen. Eine sturmfreie Bude eines französischen Austauschschülers sorgte hierbei für die besten Voraussetzungen und sogar eine Vielzahl der Projektteilnehmer und dazu noch ein paar Schüler des Lycée aus Tournus hatten ihren Weg zu Damien gefunden. Es wurde ein echt gelungener Abend und die unterschiedliche Herkunft der Projektteilnehmer wurde nun vollends gleichgültig und die Ideologie des Projekts war wohl an diesem Abend am ehesten verwirklicht.
Am Montag der nächsten Woche zog man dann wieder, nicht ganz freiwillig, in das Internat des Lycée Gabriel Voisin um. Den Tag über arbeitete man dann wieder im Palais de Justice an dem Projekt, wobei es eigentlich keine Fortschritte gab, da die meisten doch noch ziemlich erledigt vom Wochenende waren. Für diesen Abend war sogar ein Auftritt einer französischen Rockgruppe im Speisesaal, der durchaus groß genug war, organisiert. Auch dies wurde ein gelungener Abend, jedoch viel zu abrupt beendet durch die exakten Zeiteinschränkungen der Schulleitung.
Dienstags funktionierten dann endlich die ersten Teilschritte der Produktion, wenn auch nur durch die Hilfe, die eigentlich gar nicht so willkommen war, von Lehrern und Technikern. Allmählich nervte es die meisten, besonders die Dänen und die Deutschen, immer zu bestimmten Zeiten und in einem Raum voller Menschen essen zu müssen, wie man überhaupt im Internat nie seine Ruhe hatte, die Zimmer hatten keine Türen und das Treppenhaus war sogar videoüberwacht.
Der Mittwoch sah dann auch nicht viel anders aus, als die beiden vorangegangen Tage, die Verantwortlichen brachen allmählich in Hektik aus und die Schüler wurden nun endgültig zum Zuschauer degradiert, damit auch ja alles am Präsentationsstag fertig ist. Dies löste allgemeine Langeweile aus, und die einzelnen Gruppen beschäftigten sich lediglich mit der Frage, wer wohl die Präsentation am nächsten Tag übernehmen würde. Abends waren dann noch alle Teilnehmer und Lehrer gemeinsam bowlen, was bei unseren sportlichen Lehrkörpern natürlich ein riesiger Spaß wurde.
Freitags war es dann soweit, die Produktion lief zur Zufriedenstellung aller einigermaßen Reibungslos und das Projekt wurde von Schülern den Lehrern, Funktionären und dem französischen Fernsehen präsentiert. Am Abend gab es dann einen Abschluß mit einem guten Essen, einigen Reden und der Verleihung von Urkunden, die die Teilnahme bescheinigten. Darüber hinaus erhielt jeder Teilnehmer eines der produzierten Reisespiele. An diesem letzten Abend floß der Alkohol etwas zu heftig, und einige Schüler übertrieben es mit ihrer Form des Spaßes etwas, was zur Folge hatte, daß es am letzten Abend noch zu einigen unschönen Aktionen der Schüler kam, was völlig zurecht Unverständnis und Zorn bei der Schulleitung hervorrief.

Insgesamt gesehen haben wir in Frankreich jedoch schöne 14 Tage verbracht, in denen wir eine Menge neuer Leute kennenlernten, und einsehen mußten: Franzosen sind auch nur Menschen !!


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